Ausführungen von Landrat Dr. Theophil Gallo, dem Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar

Bei den polnischen Parlaments- und Senatswahlen Mitte Oktober dieses Jahres siegten die Oppositionsparteien. Nichts kann und wird mehr sein wie zuvor, auch wenn sich die Bildung einer neuen Regierung wohl noch verzögern wird. Landrat Dr. Theophil Gallo hat nicht zuletzt auch als Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar die gesellschaftliche und politische Entwicklung Polens seit Jahren im Blick und sieht den Ausgang der Wahlen nicht nur für Polen richtungsweisend, sondern auch für Europa. Er biete Chancen in mehrfacher Hinsicht, ist sich Dr. Gallo gewiss.

Landrat Dr. Theophil Gallo schätzt die Lage wie folgt ein: „Zunächst kann es eine deutliche Veränderung in der polnischen Regierung selbst geben, denn die Wählerschaft in Polen wollte augenscheinlich und mehrheitlich die bisherige absolute Regierungsmehrheit der PiS nicht mehr. Besonders erfreulich: Die rechtspopulistische Konfederacja wird wohl keine besondere Rolle spielen können, sie blieb deutlich unter dem Wert früherer Umfragen. Der deutlich polarisierende Wahlkampf der PiS mit dem Versuch, Donald Tusk als Handlanger Deutschlands darzustellen, hat nicht verfangen. Die zu erwartende Neubildung der Regierung bietet eine reelle Chance für die Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen ebenso wie für die Stärkung der demokratischen Struktur eines nach wie vor einigen Europa. Die Tatsache, dass sehr viele Erstwähler ihre Stimmen abgegeben haben, ist ein Indiz dafür, dass der Ausblick auf eine Liberalisierung der Politik in Polen gerade junge Menschen überzeugt hat. Viele Menschen werden Europa auch eher als Chance für Polen verstanden haben denn als Risiko, gerade mit Blick auf den Ukraine-Krieg und mit der Angst, die wohl alle Polen haben vor Russland und vor seinem politischen System. Man kann mit dem permanenten Infragestellen der demokratischen Strukturen Europas (oft im Verbund mit Ungarn) und mit wiederholten Verstößen gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien der EU den Bogen auch überspannen. Das scheint mir tatsächlich der Fall und ein weiterer Grund für das positiv zu wertende Wahlergebnis zu sein.“

Landrat Dr. Theophil Gallo geht ins Detail, wenn er davon überzeugt ist, dass man auch mit einer PiS-freien Regierung über das als längst abgeschlossen geltende Thema der angeblich offenen Reparationsforderungen Polens intensiv reden. Primäres Ziel sei dabei, angebliche Forderungen als solche zu identifizieren, Ziel sei es sicher nicht, ihnen nachzugeben.

„Es gilt vielmehr, ein gemeinsames Grundverständnis der damals getroffenen Regelung zu schaffen, die nach meinem Dafürhalten heute niemand mehr richtig nachvollziehen kann. Es geht darum, der politischen Kampagne der PiS, die das Thema der offenen Rechnungen weiter reiten und wie eine Monstranz vor sich hertragen wird, durch Transparenz und durch konkrete Gespräche dauerhaft die Kraft und damit die Fähigkeit zu nehmen, Zweifel und Zwietracht zu säen und damit zu spalten.“

Landrat Dr. Gallo sieht in einem Weimarer Dreieck auf Regierungsebene, einem Verbund der Regierungen in Paris, Berlin und Warschau, der drei großen Länder Frankreich, Deutschland und Polen, den Nucleus für ein starkes, einiges und stabiles Europa: „Wir brauchen dieses mit Blick auf die bedrohlichen Lagen um uns herum dringend. Im Verbund mit der Ukraine, versehen mit dem Beitrittsstatus für die EU, haben wir zudem die Chance zu einem „Weimarer Dreieck plus“ zu kommen. Nebenbei bemerkt: Deutschland allein wird in Europa auf Sicht keine Führungsrolle übernehmen können. Übrigens warnte Kaczynski in einer Rede in Legnica Ende vergangenen Jahres die Zuhörer, als er meinte, die Deutschen wollten heute mit friedlichen Mitteln das erreichen, was sie sich einst mit militärischen Mitteln vorgenommen hätten. Auch dieses Drohszenario war ein Teil der Strategie der PiS, die damit den europaoffenen und Deutschland wohl gesonnenen Teil der polnischen Bevölkerung dennoch nicht zu überzeugen vermochte.“

Der Saarpfalz-Kreis unterhält feste kommunale Partnerschaften mit nicht nur einem, sondern mittlerweile mit vier Partnerkreisen aus der Woiwodschaft Podkarpackie (mit Przemysl seit 2011, mit Lancut seit April 2021 und mit Lubaczow und Bieszczady seit Oktober 2021, die beiden letztgenannten sind Biosphärenregionen). Auf Basis des Internationalen Bündnisses für Frieden und Zusammenhalt in Europa vom 4. Juli 2022 und des Museumsbündnisses sind es sogar acht polnische Landkreise, sechs davon in der Woiwodschaft Podkarpackie.

Die Bündnis-Partnerschaften erstrecken sich gleichzeitig auf ebenfalls acht ukrainische Landkreise. Fünf davon gehören zur Oblast Lviv, mit der das Saarland am 8. November eine offizielle Partnerschaft geschlossen hat, an deren erfolgreichem Zustandekommen der Saarpfalz-Kreis maßgeblich beteiligt ist.

Dem Saarpfalz-Kreis ist im Rahmen vieler Begegnungen und Austausche in den vergangenen Jahren respektvoll, freundschaftlich und aufgeschlossen begegnet worden. „Von einer PiS-beeinflussten Haltung war nichts zu spüren, im Gegenteil. Es gab keinen Fall, in dem wegen der schlimmen Vergangenheit in unserer gemeinsamen Geschichte uns gegenüber eine Deutschland-kritische Äußerung gefallen ist. Im Gegenteil war der Tenor, dass wir gemeinsam nach vorne blicken sollten. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass auch wir von unserer Seite niemals konfrontativ oder gar belehrend aufgetreten sind. Und schon gar nicht beleidigt ob der vielfach nicht

deutschlandfreundlichen Verhaltensweisen der polnischen Regierung, ich erinnere an die Reparationsforderungen. Mein immer wieder auch in Polen, etwa vor den Hauptversammlungen der polnischen Landkreise geäußertes Credo lautet: Je schwieriger die politische Großwetterlage ist, wenn Warschau und Berlin Probleme haben, umso mehr müssen wir auf der zivilgesellschaftlichen Ebene zusammenarbeiten an unseren Zielen, die wir auch im Homburger Bündnis dokumentiert und alle unterzeichnet haben“, führt Landrat Dr. Theophil Gallo zu den Partnerschaften aus: „Meines Erachtens war und ist es der richtige Weg, die Partnerschaften auf kommunaler Ebene systematisch auszubauen und zu pflegen. Diese Linie sollten, ja müssen wir einhalten. Im deutsch-polnischen Verhältnis gibt es noch sehr viel Luft nach oben. Es reicht nicht, wenn bei Jahrestagen ein Repräsentant nach Polen reist, wenn man sich auf Regierungsebene einmal im Jahr trifft. Die erhofften Auswirkungen der Wahl werden uns bestärken, den Weg einzuhalten, den wir bisher auf kommunaler Ebene gemeinsam mit unseren polnischen Freunden gegangen sind, denn es scheint der richtige Weg zu sein. Insofern wird es nur besser werden können, wenn wir beiderseits unsere bisherige Linie einhalten und ausbauen. Nur dadurch gelingt es uns auf beiden Seiten, vor allem die Jugend zu erreichen und Gräben, die die bisherige Regierung in der Bevölkerung zweifelsohne aufgerissen hat, dauerhaft zu schließen. Wir sollten uns auch auf keinen Fall darauf verlassen, dass jetzt auf einen Schlag alles anders und auf jeden Fall immer nur besser wird. Wir müssen vielmehr weiterhin auf unsere Weise Basisarbeit leisten, die Begegnungen und Kontakte weiter intensivieren und die noch Zweifelnden für Europa faszinieren. Ich bin sehr zuversichtlich, es gilt umso mehr der Text der polnischen Nationalhymne: Noch ist Polen nicht verloren … für Europa!“

Informationen zu den Kreispartnerschaften und zur Europaarbeit des Saarpfalz-Kreises sind bei der Leiterin der Stabsstelle Europa, Dr. Violetta Frys, unter Tel. (06841) 104-8273 oder unter den E-Mail-Adressen Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! sowie Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erhältlich.

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