Installation des Scanners im Europäischen Kulturpark für Oktober geplant
Im Dezember 2019 wurde der Öffentlichkeit im Europäischen Kulturpark in Reinheim ein neues Kooperations- und Forschungsprojekt des Landesdenkmalamtes mit der MFB MusterFabrik Berlin GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK vorgestellt. Unter dem Namen „DigiGlue“ haben die Projektpartner im Laufe der vergangenen eineinhalb Jahre im Auftrag und unter ständiger Mitarbeit des Landesdenkmalamtes ein automatisiertes System zur Digitalisierung, Visualisierung und digitalen Reposition von Wandmalereifragmenten entwickelt. Anstoß für das Projekt gab die Bergung großer Mengen von römischem, fragmentiertem Wandputz aus dem Bereich des Europäischen Kulturparks Bliesbruck-Reinheim. Dessen wissenschaftliche und restauratorische Bearbeitung sollte durch die geplante Entwicklung eines neuartigen Scanners zur beidseitigen 2,5-D-Erfassung der Fragmente sowie eines Assistenzsystems zur digitalen Handhabung und Reposition der digitalisierten Abbilder erleichtert werden.
Jan Schneider, Entwicklungsleiter der MusterFabrik Berlin erläutert den Ansatz der 2,5-D-Digitalisierung und Reposition: „Bei der von uns entwickelten Methodik ist eine zeitintensive 3-D-Erfassung und Merkmalsextraktion der Objekte nicht erforderlich. Vielmehr werden die Vorteile von 2-D- und 3-D-Verfahren effizient miteinander vereint, indem nur die aussagekräftigsten Merkmale ‘aus beiden Welten‘ verarbeitet werden. Dabei werden alle Informationen der 2-D-Aufnahmen um die für eine Weiterverarbeitung relevanten Tiefeninformationen angereichert, was mit dem Ausdruck 0,5-D angezeigt wird.“
Das Gesamtsystem wurde von der MusterFabrik Berlin, einem Spezialisten für automatisierte Assistenzsysteme und Sondermaschinenbau in enger Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt und dem Europäischen Kulturpark konzipiert und gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK umgesetzt. Dabei lagen die Steuerung der empfindlichen Kameratechnik und die Implementierung der 2,5-D-Bildaufnahmen des Scanners in der Verantwortung des Fraunhofer IPK.
„Neuartige Digitalisierungstechniken auf Grundlage neuronaler Netze ermöglichen es, in den römischen Wandbemalungen auch kleinste Bilddetails sichtbar zu machen", erklärt Dr. Bertram Nickolay, Abteilung Maschinelles Sehen am Fraunhofer IPK.
Die gemeinsame Entwicklungsarbeit konnte auch während der Corona-Pandemie ohne größere Verzögerungen weitergeführt werden. Im Juli nun konnten sich die beteiligten Mitarbeiterinnen des Landesdenkmalamtes, Dr. Constanze Höpken und Nicole Kasparek, sowie Michael Ecker vom Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim in der MusterFabrik Berlin das Ergebnis der Arbeiten ansehen und erste Tests am Gesamtsystem durchführen. Der Scanner erfasst gleichzeitig die bemalte Vorderseite und die Rückseite der fragilen Wandmalereifragmente und erstellt dabei parallel eine Höhenkarte. Er arbeitet damit im 2,5-D-Bereich, was zum einen Speicherkapazität spart und zum anderen später bei der digitalen Reposition der Fragmente am Bildschirm hilft, da sowohl die Konturen der Bemalung als auch die der Mörtelrückseite angezeigt werden. In einer Datenbank sind die Digitalaufnahmen der Fragmente sowie weitere Metainformationen zu jedem Fragment hinterlegt. Im Assistenzsystem können die gescannten Fragmente dann nach diversen Kriterien sortiert, gedreht und aneinandergefügt werden, so dass am Bildschirm die ehemalige Wanddekoration der römischen Villa langsam wiederersteht.
Im Oktober soll die neu entwickelte Technik in Reinheim installiert werden. Im Europäischen Kulturpark können die Besucher dann live am Bildschirm mitverfolgen, wie das hoch empfindliche Kulturgut für die Nachwelt digitalisiert und materialschonend virtuell wiederhergestellt wird.
„Das Projekt ist für das Landesdenkmalamt von besonderer Bedeutung. Es bietet Perspektiven, die Landesarchäologie stärker mit einem innovativen System überregional zu vernetzen. Daher sind wir sehr dankbar für die wichtigen finanziellen Zuwendungen, ohne die ein solches Projekt sicher nicht zu stemmen wäre“, weiß Dr. Georg Breitner, Leiter des Landesdenkmalamtes, zu schätzen.
Auch Landrat Dr. Theophil Gallo ist ziemlich gespannt: „Ich freue mich auf die Präsentation der ersten Ergebnisse. Wir erhalten durch diese Arbeit und die damit verbundene passgenaue Rekonstruktion einen außerordentlichen Mehrwert, die die Erforschung und Bewahrung unseres kulturellen Erbes deutlich voranbringt.“